Aktuell

Rodungsmaßnahme im Stadtwald Speyer fürs Technik Museum Speyer-Sinsheim

Schreiben der Fraktion B90/Die Grünen Speyer an die Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler sowie die Untere Naturschutzbehörde

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat aus der Tagespresse von einer Rodungsmaßnahme im Stadtwald Speyer zugunsten des Technikmuseums Speyer-Sinsheim Kenntnis genommen und eine eigene Erhebung vor Ort durchgeführt. Die Maßnahme soll offensichtlich der Anlandung eines U-Bootes dienen, das in Höhe der Rheinhäuser Fähre aus dem Rhein gezogen und auf dem Landweg weitertransportiert werden soll.

Die Fraktion kommt zu folgendem Ergebnis:

   Gerodet wurden insgesamt etwa 1000 m² (0,1 Hektar), sowie einzelne Bäume und Sträucher entlang der Zufahrtsstraße zur Rheinhäuser Fähre und am Rand des Berghäuser Altrheins. Gefällt wurden Bergahorn, Esche, Weide und die auentypische Strauchschicht aus Hasel und Weißdorn. Das anfallende Holz und die Biomasse wurden auf Wälle entlang der Rodungsfläche und des gegenüberliegenden Parkplatzes abgelagert. Die Fläche wurde, ausweislich der Fahrspuren, intensiv mit einem forstwirtschaftlichen Schlepper befahren und dabei irreversibel verdichtet. Bodenstruktur und Edaphon des wertvollen Hochflutlehmes wurden zerstört. Die Maßnahme fand zu einem Zeitpunkt statt, bei dem einzelne Baumarten intensiv blühten (Weiden) oder Straucharten (Weißdorn) unmittelbar vor der Blüte standen und als frühe Bienenweide nun nicht mehr zur Verfügung stehen. Das gerodete Waldstück beinhaltet die Waldlebensraumtypen Eiche-Ulme-Eschenwälder großer Flüsse (91F0) und Weichholzauenwälder (91E0*). Es wurde per Stadtratsbeschluss aus dem Jahre 2015 unter Prozessschutz gestellt und soll als Monitoring der natürlichen Sukzession im Rheinauenwald dienen.

Bewertung:

   Die Maßnahme zugunsten eines Dritten hat einen erheblichen Schaden an Boden, Vegetation und Tierwelt verursacht. Dieser Schaden ist nicht durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Die Maßnahme verstößt gegen Naturschutzrecht und dabei gegen mehrere Rechtsnormen. Die Rodungsfläche ist Teil des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 und als FFH Gebiet ausgewiesen. Eine Störung des Schutzgebietes für nichtforstliche Maßnahmen ist ausgeschlossen. Die Maßnahme dient nicht forstlichen Zwecken, sondern ist eine vorübergehende Änderung der Bodennutzungsart. Ein solcher Eingriff ist nach der FFH Richtlinie verboten. Daher greift unseres Erachtens § 329 Abs 4. des Strafgesetzbuches (Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete), da verwaltungsrechtliche Pflichten in einem Natura 2000 Schutzgebiet maßgeblich verletzt wurden. Eine Verträglichkeitsprüfung nach FFH, die nach neuester Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erforderlich wäre, wurde ebenfalls nicht durchgeführt.

   Des Weiteren liegt ein Verstoß gegen § 30 Bundesnaturschutzgesetz vor, nachdem es verboten ist Handlungen durchzuführen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung bestimmter Biotope führen können. Zu diesen Biotopen gehören natürliche oder naturnahe Bereiche fließender und stehender Binnengewässer einschließlich ihrer Ufer und der dazugehörigen uferbegleitenden natürlichen oder naturnahen Vegetation sowie ihrer natürlichen oder naturnahen Verlandungsbereiche, Altarme und regelmäßig überschwemmten Bereiche. Der zerstörte Waldbereich ist zweifelsfrei diesem Biotoptyp zuzuordnen.

   Dieser Rechtsverstoß ist eine strafbare Handlung nach § 329 Abs. 3 StGB dar. Weitere Rechtsverstöße gegen Bodenschutzrecht, Wasserrecht, Forstrecht und Artenschutzrecht wären im weiteren Verfahrensgang zu prüfen. Nach bisheriger Informationslage ist es unklar, ob die Stadt einen privatrechtlichen Vertrag oder einen begünstigenden Verwaltungsakt erlassen hat. Ein privatrechtlicher Vertrag, der gegen Rechtsnormen verstößt, ist unzulässig. Ein Verwaltungsakt, der einen Straftatbestand verwirklicht, ist nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 Verwaltungsverfahrensgesetz nichtig.

   Unabhängig von der Vorgehensweise, ist sowohl ein Vertrag, als auch ein Verwaltungsakt rechtswidrig und daher zurückzunehmen.

   Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat folgende Fragen: 1. Wurde mit dem Technikmuseum oder einem Beauftragten ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen und wer trägt die Kosten der Maßnahmen? 2. Wer hat die Maßnahmen beauftragt und wer hat die Maßnahmen durchgeführt? 3. Wir gehen davon aus, dass nach § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz zur Regelung dieses Einzelfalls ein Verwaltungsakt erlassen wurde. Gibt es einen verwaltungsrechtlichen Bescheid und welche Nebenbestimmungen hat der Verwaltungsakt der Stadt Speyer?

   Die Fraktion Bündnis 90 /Die Grünen fordert von der Stadtverwaltung /Untere Naturschutzbehörde: 1. Die sofortige Stornierung einer privatrechtlichen Vereinbarung. 2. Die sofortige Rücknahme des Verwaltungsaktes. 3. Eine Klarstellung gegenüber der Öffentlichkeit, dass eine Anlandung des U-Bootes oder anderer Kriegs- und sonstiger Ausstellungsstücke auf städtischen unbebauten Grundstücken aus rechtlichen Gründen nicht stattfinden wird. 4. Den Rücktransport der entfernten Biomasse auf die gerodete Waldfläche zur Unterstützung der Regeneration des Waldbodens.

   Wir sind als Fraktion entsetzt über den fortgesetzt leichtfertigen Umgang mit den Naturgütern der Stadt Speyer zugunsten privater Interessen. Verschiedene Stadtratsbeschlüsse der letzten Monate haben ökologische und städtebauliche Standards für die Bürger der Stadt deutlich angehoben.

   Gleichzeitig sorgen verschiedene Beschlüsse zum Umgang mit dem Stadtgrün und dem Stadtwald für eine neue Sensibilität mit dem Umgang unserer Ressourcen. Auch die Perspektive der Klimaanpassung und der Beschluss des Klimanotstandes im Stadtrat zeigen einen klaren politischen Weg, den wir als Stadt Speyer gemeinsam gehen wollen.

   Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich und widerspricht dem gemeinsam gefassten politischen Willen, wenn die Entscheidungstragenden so unverantwortlich mit dem Wald und dem Naturschutz umgehen und durch ihr Verwaltungshandeln gegenüber der Öffentlichkeit wiederholt ein äußerst schlechtes Vorbild abliefern.

   Mit freundlichen Grüßen - Hannah Heller, Vorsitzende der Stadtratsfraktion B90/Die Grünen / Volker Ziesling, Grünen-Stadtrat

Zusätzliche Informationen