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Oberbürgermeister Hansjörg Eger, Gleichstellungsbeauftragte Lena Dunio-Özkan, Julia Kratz und Christiane Pfanz-Sponagel vom Stadtarchiv Speyer (v. l.). - Bild: Stadt Speyer

Frauenrechte als Maßstab für Demokratie – in Geschichte und Gegenwart

Festvortrag und Ausstellung zu 100 Jahren Frauenwahlrecht

Speyer. - Vor 100 Jahren wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht eingeführt. „Auch wenn dies ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen war, sind die Ressentiments in der Gesellschaft gegenüber Frauen noch immer nicht abgebaut,“ so das Resümee von Oberbürgermeister Hansjörg Eger beim Pressegespräch zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“ im Stadthaus. Eger erinnert beispielsweise daran, dass noch bis in die 70er Jahre der Ehemann das Arbeitsverhältnis seiner Frau ohne deren Kenntnis oder Zustimmung kündigen konnte. „Die rechtlichen Rahmenbedingungen sagen viel über eine Gesellschaft und die in ihr vorherrschenden Ansichten und Wertvorstellungen aus“, weiß Jurist Eger und beklagt mit Blick auf die geringe Wahlbeteiligung auch eine falsche Grundhaltung.

So wollen Gleichstellungsstelle und Kooperationspartner Stadtarchiv –Kulturelles Erbe mit der Erinnerung an den harten Kampf der Frauen vor 100 Jahren für dieses demokratische Recht, demokratiemüde Bevölkerungsteile wachrütteln. Am Mittwoch, 7. November 2018, um 17 Uhr laden sie zu Festvortrag und Ausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht“ in den Historischen Ratssaal ein. Nach Grußworten von Oberbürgermeister Hansjörg Eger und Staatssekretärin Christiane Rohleder vom Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz in Rheinland-Pfalz, folgt der Festvortrag von Prof. Dr. Susanne Liebig. Die Historikerin an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe erörtert unter dem Titel: „‘Weil wir es nicht verantworten können, dass die größere Hälfte der Nation vom Wahlrecht ausgeschlossen ist.‘ – Der lange Kampf ums Frauenwahlrecht“ unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen die Frauen – nicht nur in Europa – um ihr Wahlrecht kämpften. Ferner wird Liebig am Beispiel einiger Frauen der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung verdeutlichen, wie unterschiedlich die Forderungen und Vorgehensweisen der Frauen waren, wie gut sie sich international vernetzten und welche Handlungsspielräume sie zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts nutzten.

Den starken Frauen, die sich für das Frauenwahlrecht und die Gleichberechtigung in Deutschland eingesetzt haben, eine Stimme geben, will auch das Trio „Damenwahl“ -Barbara Dees, Mareike Ott und Rosemarie Tritschler- mit seiner Sprechcollage.

Den Kampf um die politische Gleichberechtigung und das Wirken politisch aktiver Speyerer Bürgerinnen bis hin zur Landes- und Bundesebene veranschaulicht die Wanderausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht“, die die Gleichstellungsstelle der Stadt Speyer mit Unterstützung des Stadtarchivs auf Grundlage der Ausstellung „90 Jahre Frauenwahlrecht“ erarbeitet hat. Im Hinblick auf die Kommunalwahlen 2019 hoffen die Ausstellungsmacherinnen, dass die Steckbriefe der Stadträtinnen auf den Ausstellungstafeln Frauen motivieren, die Stadtgesellschaft aktiv mitzugestalten.

Begleitprogramm

Im Begleitprogramm wird am Sonntag, den 18. November 2018, um 11 Uhr ein Stadtrundgang auf den Spuren historisch bedeutender Speyerer Frauen angeboten. Hierzu ist eine Anmeldung bei der Gleichstellungsstelle erforderlich (E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder Tel. 06232/14-2267).

Historischer Hintergrund

Am 12. November 1918 verkündete der Rat der Volksbeauftragten die Einführung des gleichen, geheimen, direkten und allgemeinen Wahlrechts für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen. Ihre politische Gleichberechtigung verdankten die Frauen weder der Stimmrechtsbewegung noch ihrer Mitarbeit in den Parteien oder ihrem Einsatz an der „Heimatfront“ im Ersten Weltkrieg, sondern dem revolutionären Umbruch im November 1918. In der Zeit der ersten deutschen Demokratie gehörten auch dem Speyerer Stadtrat Frauen an, die sich als „Stadtmütter“ v.a. sozialpolitisch engagierten. 1933 beendete die sog. „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten ihre politische Betätigung. Der nach der Einführung des Führerprinzips entmachtete Stadtrat degradierte zum Kollegium der „Ratsherren“.

„Die Einführung des Frauenwahlrechts in Deutschland stellt einen Meilenstein in der Geschichte der Demokratie und im Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern dar. Dass vor 100 Jahren noch die Hälfte der Bevölkerung vom Wahlrecht, eines der wertvollsten Güter unserer Demokratie, ausgeschlossen war, ist heute für viele Menschen unvorstellbar“, unterstreicht Archivleiterin Christiane Pfanz-Sponagel beim Pressegespräch. Und Gleichstellungsbeauftragte Lena Dunio-Özkan rückt in den Focus, dass es bis in die Gegenwart Länder gibt, in denen Frauen nicht oder nur eingeschränkt wählen dürfen. Gleichzeitig entwickelten sich in demokratischen Ländern politische Strömungen, die versuchten, die Rechte der Frauen wieder einzuschränken. Daher sei es heute umso wichtiger, sich daran zu erinnern, dass die politische Teilhabe von Frauen nicht immer selbstverständlich war. „Mit unserem Beitrag zu 100 Jahren Frauenwahlrecht, möchten wir verdeutlichen, dass es an uns allen ist, das weiterzuentwickeln, was vor 99 Jahren errungen wurde und was noch zu tun bleibt“, appelliert Dunio-Özkan abschließend. -Barbara Fresenius-

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