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- Veröffentlicht am Dienstag, 11. März 2025 16:26
Hildegard Jung als Azubi-Engel bei den Vereinsmeiern: „...der war schon auf der Erde Azubi bevor er in den Himmel durfte. Vorher war er in der Hölle, aber die hat dicht gemacht - aus Brandschutzgründen“. © Bernhard Bumb
So ganz geht sie nicht
Büttenrednerin Hildegard Jung hat die „großen Bühnen“ verlassen
Speyer. - Im Februar garantierte Hildegard Jung als Büttenrednerin der Speyerer Karnevalgesellschaft (SKG) auf „großen Bühnen“ nochmal viel Spaß und bekam dafür richtig Applaus.
Die beiden total ausverkauften Damensitzungen der SKG am Schmutzigen Donnerstag (27. Februar) und am 28. Februar hat sie - wie gewohnt - zum Ausflippen gebracht. „Da kamen jährlich nicht wenig Frauen aus dem Badischen zu uns“, betont Hildegard Jung. Mit Spannung wurde die „Wahrsagerin“ zuvor in der Prunksitzung des Carnevalvereins Rheinfunken erwartet.
Als Wahrsagerin - ebenfalls bei den Vereinsmeiern. © Bernhard Bumb
Beim Abschluss der Kampagne ihres Vereins im „Del Sole“ (Berliner Platz) am vergangenen Aschermittwoch hat sich Hildegard Jung mit einem humorvollen Beitrag in die zweite Reihe der Aktiven zurück gezogen. Sie will es künftig etwas ruhiger angehen lassen.
Nun erinnerte Hildegard Jung im Gespräch mit dem Speyer-Report an ihr 46 Jahre umfassendes Spaßprogramm. Begonnen hat sie mit Lampenfieber, Herzklopfen und Aufregung anno 1979 als „Eine CDU-geschädigte Ehefrau“ auf der Schwarzkittelparty im Ägidienhaus jener Partei.
Bei der SKG anno 2013 in der Stadthalle. © Bernhard Bumb
Doch jetzt ist „irgendwie die Luft raus“ sagt die Fasnachterin. Dass sie nach ihrem Auftritt bei den Schwarzkittelträgern tatsächlich weiterhin auf närrischen Bühnen der SKG stand, ihren einzigartigen Humor in die Auditorien versprühen konnte, das verdankt sie Werner Hill, einem inzwischen 9 x 11-jährigen Speyerer Obernarren und langjährigen SKG-Präsidenten.
Wertvolle Tipps, um erfolgreich hohe närrische Häuser zu begeistern, gaben ihr die früheren Büttenstars Glaser und Seel. Auch ein Theaterregisseur habe sie gecoacht. Die Ehrensenatorin der SKG, mit dem seltenen „Till“ aus Porzellan ausgezeichnet, von dem der Künstler Günter Zeuner nur elf Exemplare geschaffen hat, die Trägerin des „Goldenen Löwen“ und unter Präsident Daoud Hattab einst amtierende Vizepräsidentin blickt gerne zurück auf ihre karnevalistische Karriere.
Bei der SKG als Biogräfin. © privat
Beispielsweise hat sie diese Figuren auf die Bühnen gebracht: Religionslehrerin, Märchen-Oma, Engel-Azubi, Au Pair-Mädchen, eine Frau, die ihre Handtasche aufräumt, einen Roboter vom anderen Stern, eine Biogräfin und viele andere Rollen. Die Kleider, Hüte und welche Accessoires sie noch gebraucht hat, nahm sie aus dem Fundus einer Großtante.
Was sie nicht wollte: in die Bütt gehen. Hildegard Jung stand lieber frei auf den närrischen Brettern, entweder mit einem Bistrotisch oder mit einem Lesepult. Ihre über 100 Reden, nach Weihnachten begonnen, hielt sie auswendig - „ablesen gab es nicht“. Zur Sicherheit hatte sie nur einen Spickzettel mit Stichpunkten dabei.
Die Bütt – bei der SKG ein Modell des Speyerer Domnapfes – war ihr zu eng, da wäre sie nur drin gestanden, aber sie wollte, um ihren Fez zu betonen, mal hin- und hergehen, zum Elferrat gehen oder sich den Leuten, die sie auf die Schippe genommen hat, bis zum Bühnenrand nähern.
Wichtig war ihr: keine verletzenden Worte, nie unter die Gürtellinie gehen. „Ich liebe Wortspiele“, sagte sie - „die Presse war mit den Wortspielen sehr zufrieden“, aber manches Mal mussten die Narren schon mitdenken, merkte sie lächelnd an.
Hildegard Jung: „Mit Klischees spielen habe ich sehr gerne gemacht“. Oft baute sie Situationen des Alltags in ihre Reden ein und traf damit stets den Nagel auf den Kopf. Sie stellte während ihrer Auftritte ab und zu fest, dass die Leute eigentlich über sich selbst gelacht haben auch wenn deren Beifall ihr gegolten hat.
Nun war‘s das nach 46 Jahren auf „großen Bühnen“. Auf „kleinen Bühnen“ darf man sie immer noch erwarten, wenn die SKG ihre Kampagnen eröffnet und am Aschermittwoch abschließend auf das närrische Treiben zurückblickt.
Die Rheinfunken und die Vereinsmeier will sie nicht im Stich lassen, wenn die beiden bei ihr anklopfen – „die SKG weiß das“. Ein dreifach donnerndes „Hajo!“ ist Hildegard Jung also weiterhin sicher. - Bernhard Bumb