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- Veröffentlicht am Freitag, 25. April 2025 14:35
CDU-Landtagsabgeordneter Michael Wagner an Staatsminister Ebling bzgl. Absage Brezelfestumzug
Sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Herr Ebling,
Speyer ist eine der ältesten Städte Deutschlands, mit über 2000 Jahren Geschichte. Der Kaiserdom zu Speyer (UNESCO-Weltkulturerbe) zieht jährlich viele Besucher an und ist ein imposantes Zeugnis romanischer Architektur. Auch das jüdische Erbe, darunter die SchUM-Stätten (ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe), sorgt für kulturelle Tiefe. In Speyer wird die Pflege des Brauchtums sehr ernst genommen, die Stadt lebt von ihrer langen Geschichte und vielen Traditionen, die aktiv weitergegeben und gefeiert werden.
So ist u.a. das Speyerer Brezelfest, das größte Volksfest am Oberrhein, ein echtes Brauchtums-Highlight. 1910 ursprünglich zur Unterstützung der lokalen Bäcker gegründet, erfreut es (mit Ausnahme der Corona-Zeit) jährlich mehrere hunderttausend Besucherinnen und Besucher. Seit der Gründung bildet der Festumzug am Sonntag, an dem etwa 100 Trachten-, Musik- und Vereinsgruppen teilnehmen, das Herzstück des Brezelfestes. Und genau dieser Brezelfestumzug wurde nun vom Verkehrsverein e.V., dem Ausrichter des Brezelfestes, nach Rücksprache mit der Stadtverwaltung Speyer wegen der zu hohen und nicht mehr stemmbaren Sicherheitsauflagen erstmals in der langen Geschichte des Brezelfestes abgesagt.
Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, sehr geehrter Herr Minister Ebling, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger genießt Priorität, und ich bin weit davon entfernt, auch nach den jüngsten Ereignissen in Magdeburg, Mannheim und Aschaffenburg leichtfertig mit dem Sicherheitsgedanken umzugehen. Gleichwohl frage ich mich - und diese Fragen werden mir aktuell zuhauf von Bürgerinnen und Bürgern aus meinem Wahlkreis gestellt - wohin uns dieser Sicherheitsgedanke führt. Das Abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit ist eine klassische politische, philosophische und gesellschaftliche Herausforderung. Die beiden Werte stehen oft in einem Spannungsverhältnis – mehr von einem kann oft weniger vom anderen bedeuten. Die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland steht im Spannungsfeld zwischen dem Schutz öffentlicher Brauchtumsfeiern und der Bedrohung durch Terroranschläge. Trotz jüngster Vorfälle betonen Behörden die Bedeutung kultureller Veranstaltungen und setzen auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, die wie jetzt im Fall des Brezelfestes von den im Ehrenamt agierenden Verantwortlichen des Speyerer Verkehrsvereins nicht erfüllt werden können. Und bei all dem Gedanken an den Schutz der Bürgerinnen und Bürger müssen wir uns eingestehen, dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann.
Bereits vor 2 Jahren habe ich mich mit dieser Thematik beschäftigt und mit meiner Kleinen Anfrage vom 30.05.2023 (Drucksache 18/6518) das Pilotprojekt "urbane Sicherheit", dem vor einem Jahr auch die Stadt Speyer beigetreten ist, hinterfragt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2023 hatten Sie, geehrter Herr Minister, geantwortet, dass in den teilnehmenden "Modellkommunen an den Schnittstellen zwischen Sicherheit und Stadtentwicklung Strukturen, neue Ansätze und konkrete Maßnahmen konzipiert und mit dem Ziel erprobt werden, auf kommunal-urbaner Ebene in vielfältiger Weise die objektive und subjektive Sicherheit der Menschen und damit die Lebensqualität weiter zu verbessern." Dies schließe Themenstellungen rund um die Sicherheit von öffentlichen Veranstaltungen und damit die Umsetzung des § 26 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) ein. In diesem Zusammenhang sei die Vernetzung der beteiligten Akteurinnen und Akteure von besonderer Bedeutung, damit Erfahrungen ausgetauscht und im Wege der Best Practice bewährte Verfahrensweisen für andere Kommunen übertragbar gemacht werden können. Das Vorhaben "Urbane Sicherheit" stelle hierfür eine Plattform dar.
Wie, sehr geehrter Herr Minister, ist man bislang beim Projekt "Urbane Sicherheit" mit dem Spannungsfeld zwischen dem Schutz öffentlicher Brauchtumsfeiern (hier Brezelfestumzug) und der Bedrohung durch einen möglichen Anschlag umgegangen? Inwieweit wurde das Thema "Terrorschutz ist eine Staatsaufgabe" behandelt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat ja in mehreren Entscheidungen betont, dass der Schutz vor Terrorismus eine zentrale Staatsaufgabe ist. In einem Urteil vom 22. August 2024 (Az. OVG 12 B 18.23) stellte das Gericht klar, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden verpflichtet sind, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um terroristische Bedrohungen abzuwehren. Dies umfasst sowohl die Überwachung potenzieller Gefährder als auch die Zusammenarbeit zwischen Bundes- und Landesbehörden. Hat die Diskussion hierüber zu inhaltlich konkreten Verordnungen und Ausführungen zum POG geführt?
Speyer fühlt sich mit seinen Großveranstaltungen dem Thema "Lebenslust, Kultur, Toleranz" verpflichtet. Die Veranstaltungen Kaisertafel und Altpörtel in Flammen finden schon nicht mehr statt, nach einem Bericht der RHEINPFALZ "Stolz und Zukunftssorgen" vom 24.04.2025 "rumort es" beim Vorstand des Vereins Bauernmarkt Speyer wegen der Jahr für Jahr steigenden Sicherheitsauflagen und nun wurde auch erstmals seit dem Bestehen des Brezelfestes der traditionsreiche Umzug abgesagt.
Ich hoffe auf eine verträgliche Lösung für alle Seiten, denn „wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ (Benjamin Franklin). - Mit herzlichen Grüßen - Michael Wagner