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Rosemarie Keller-Mehlem © Agentur Herzenstage/Tamara Montag

Kommunalwahl 2024 in Speyer: 8 Fragen des Speyer-Report an die UfS

Für die Wählergruppe „Unabhängig für Speyer“ antwortet die Vorsitzende Rosemarie Keller-Mehlem

 

Frau Keller-Mehlem, was ist in Speyer dringend anzupacken?

   Speyer ist eine lebens- und liebenswerte Stadt. Auch sie ist Entwicklungen unterworfen, die uns herausfordern und nach Antworten verlangen.

   Es wird Zeit für ein alle Lebensbereiche umfassendes integriertes Handlungskonzept zur "Gesunden Stadt Speyer" für Groß und Klein. Mehr Prävention soll dabei im Vordergrund stehen. und schon mit den Frühen Hilfen beginnen. Frischküche für die Kitas und Schulen und mehr Bewegungsräume sind konsequent umzusetzen.

   In der neulich veröffentlichten IHK-Studie wurde betont, dass auch wir ein großes Problem damit haben, verlässliche Kinderbetreuung anzubieten. Durch den akuten Mangel an pädagogischen Kräften sei Speyer als Wirtschaftsstandort sehr belastet, so die IHK. Fehlende oder unzureichende Betreuungsmöglichkeiten für ihr Kind machen vielen Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwer. Unsere Kitas können die benötigten Betreuungszeiten nicht verlässlich gewährleisten. Der Notfallplan ist inzwischen der Normalfall. Kitas sind Bildungseinrichtungen, also müssen Bildung, Erziehung und Betreuung für unsere Kinder zukünftig wieder möglich sein. Wir brauchen mehr Maßnahmen zur Bindung und Gewinnung pädagogischer Fachkräfte. Die Rahmenbedingungen für die Kindertagespflege müssen verbessert werden.

   Jugendliche brauchen mehr Angebote und gut ausgestattete Jugend-Cafés in allen Stadtteilen. Nord und Süd sind nicht bzw. viel zu wenig versorgt.

   Ein anregender Lebensraum Schule setzt gute Räumlichkeiten und Pausenhöfe voraus. Hier muss dringend renoviert werden, zum Beispiel bei den Schultoiletten.

   Für die Seniorinnen und Senioren sind die Angebote der Nachbarschaftshilfe wichtig, ebenso wie die der Gemeindeschwestern Plus. Hier fehlt die verbindliche Zusage, deren Stellen in den städtischen Stellenplan zu übernehmen und so die Finanzierung zu sichern, wenn das Landesprogramm auslaufen wird. Zur Akzeptanz des ÖPNVs sind weitere Verbesserungen nötig.

   Nachhaltige Stadtentwicklung ist eine Querschnittsaufgabe, die bezahlbaren und klimaangepassten Wohnraum schaffen soll und mit der demographischen Struktur Speyers zusammenzuführen ist. Es sollen möglichst wenig neue Flächen versiegelt, sondern bereits versiegelte verwendet  werden. Innovative Wohnformen bieten neue Chancen, wie im ehemaligen Stiftungskrankenhaus oder mit „buntSPecht“ geplant. Für unseren Wald erwarten wir einen achtsamen Umgang und ein dementsprechendes neues Forsteinrichtungswerk.

   Lebensqualität hängt auch vom persönlichen Sicherheitsgefühl ab. Deshalb ist gute Ausstattung der Blaulichtfamilie zu sichern und es ist gegen Vermüllung in der Stadt vorzugehen.

   Daraus leiten sich wichtige Ziele für Speyer ab, die es umzusetzen gilt:

   - Gemeinsam stark für ein soziales Speyer - Wichtig ist für uns, familienfreundliche Strukturen für Groß und Klein auszubauen und zu stärken. Mehr Partizipation für Kinder und Jugendliche, frühkindliche Förderung, verlässliche Betreuungsangebote, Frischküche in Kitas und Schulen, mehr Bewegungsangebote, Bildungsgerechtigkeit, gut ausgestattete Jugendcafés in jedem Stadtteil, kostenlose kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche, Umsetzung der Istanbul-Konvention, Ausbau der Digitalisierungsangebote, mehr Aufenthaltsqualität in den Quartieren für alle Generationen, unbefristete Stellen für und Weiterführung des kostbaren Angebotes der Gemeindeschwestern Plus, mehr Räume für Begegnung, zum Reden, Spielen und zur Integration. Die Innenstadt mit ihren abwechslungsreichen Kultur-, Fest-, Einzelhandels- und Gastronomieangeboten lebendig zu erhalten, ist uns wichtig. Dazu soll auch das von uns beantragte neue Tourismuskonzept beitragen.

   - Gemeinsam für ein umweltbewusstes Speyer - Speyer muss seine Anstrengungen beim Klimaschutz gemäß unserer Klimastrategie deutlich verstärken. Wir wissen, was zu tun ist, jetzt heißt es Handeln. Gesundheit hängt entscheidend von einem naturnahen Lebensumfeld ab. Deshalb ist es unerlässlich, die verbliebenen Naturräume optimal zu schützen, unseren Wald durch nachhaltige Waldbewirtschaftung zu hegen und zu pflegen und unsere städtische Umgebung naturnäher zu gestalten.

   Es gilt Stadtbäume zu erhalten und neue zu pflanzen, Fassaden zu begrünen, Emissionsgrenzwerte gemäß WHO einzuführen und Flächenversiegelung zu stoppen.

   Große Hoffnung setzen wir auf neue, innovative, gemeinschaftsorientierte Wohnformen, zum Beispiel durch „buntSPecht“ und bei der Weiterentwicklung des ehemaligen Stiftungskrankenhauses.

   Den zwei linksrheinischen Varianten der geplanten Bahntrassen erteilen wir eine klare Absage.

   Im neuen ÖPNV-Konzept brauchen wir noch Nachbesserungen, um die Fahrgastakzeptanz zu fördern. Unabhängig davon gilt es, Tempo 30 in bewohnten Straßen umzusetzen.

  - Gemeinsam für ein gleichberechtigtes Miteinander in Speyer - Demokratie lebt vom Mitmachen. Deshalb ist es nötig, die Menschen konsequent und proaktiv in die politischen Überlegungen einzubeziehen. Eine lebendige Stadtgesellschaft zeichnet sich durch die Menschen aus, die sich in ihr engagieren. Nicht umsonst gilt das Ehrenamt als Rückgrat der Demokratie, das ein Band des Miteinanders knüpft und unsere Gesellschaft stärker macht.

   Unser festes Ziel ist eine Gesellschaft ohne Ausgrenzung. Die Meinung all derer, die die demokratischen Grundwerte unserer Verfassung achten, soll wertgeschätzt werden und Berücksichtigung finden. Rassismus, Hass und Hetze und menschenverachtenden Äußerungen stellen wir uns entgegen, insbesondere wenn sich diese gegen Schutzbedürftige und Andersdenkende richten, damit wir friedlich in unserer Stadt zusammenleben können.

 

Was soll in Speyer verkehrspolitisch getan werden?

   Unser Verkehrsentwicklungsplan sieht ein gleichberechtigtes Miteinander aller Fortbewegungsarten vor. Um dahin zu kommen brauchen wir das lange schon geforderte Verkehrsleitsystem und eine geordnete Parkraumbewirtschaftung, Mobilitässtationen in allen Stadtteilen, sanierte und erneuerte Fahrradwege und einen möglichst barrierearmen öffentlichen Raum.

   Tempo 30, wo immer möglich, erhöht die Sicherheit im Stadtverkehr besonders für die vulnerablen Gruppen und reduziert die Lärm- und Emissionsbelastung. Das zusammen beschert mehr Lebensqualität für alle.

   Die Nachbesserungen im neuen ÖPNV-Konzept sind zeitnah umzusetzen, ebenso wie der Umbau des ZOB zum barrierefreien Knotenpunkt. An der geplanten Umstellung der Busflotte auf E-Busse halten wir fest.

 

Wo kann in Speyer neuer Wohnraum entstehen?

   Um neuen Wohnraum schaffen zu können, brauchen wir ein ganzes Maßnahmenbündel: die Neuausrichtung des Bündnisses für bezahlbaren und klimaangepassten Wohnraum unter Berücksichtigung der Sozialquote von 35%, die Entwicklung innovativer, generationsübergreifender Wohnformen, Aufstocken von Bestandsgebäuden (auch über Supermärkten), Erleichterungen bei Ausbau und Sanierung, gezieltes Wohnraummanagement wie es die GEWO praktiziert, um den Umzug aus zu großen in kleinere Wohnungen zu ermöglichen, die Umsetzung der Zweckentfremdungssatzung und die Erstellung eines Leerstandkatasters. In neuen Baugebieten soll so wenig wie möglich neu versiegelt werden wie im "Urbanen Biotop" im Normandquartier oder großflächig entsiegelt werden, wie zum Beispiel auf dem Gelände der ehemaligen Kurpfalzkaserne.

 

Was muss aus sozialpolitischer Sicht getan werden?

   Die Grundlage eines gleichberechtigten Miteinanders ist die Möglichkeit zur Teilhabe für alle. Um diese zu schaffen, müssen wir noch vorausschauender planen. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Stadt zeigt uns Handlungsbedarf auf. Kinderarmut und Altersarmut sind große Herausforderungen auch in unserer "Wohlfühlstadt". Initiativen wie die Soziale Anlaufstelle - SAS, die Tafel, die Mahlzeit, Silbertaler, Tischlein-deck-dich, Lernpaten und andere zeigen uns auf, wie viel Hilfe gebraucht wird. Vieles wird hier im Ehrenamt geleistet. Das Ehrenamt wird zurecht als das Rückgrat einer Gesellschaft bezeichnet. Dazu zählen auch unsere vielen Kultur- und Sportvereine, in denen vorbildlich Teilhabe praktiziert wird.

   Wir brauchen mehr Angebote für Jugendliche. Das JuCa-Nord ist seit Jahren geschlossen, ebenso das Jugendcafé in der Innenstadt. In Speyer-Süd läuft noch die Standortfrage. Gerade nach Corona hat sich die Einsamkeit auch bei Jugendlichen verstärkt. Wir haben mittlerweile zwei Plätze der Kinderrechte. Mit der Benennung haben wir uns auch verpflichtet, die Kinder und Jugendlichen stärker partizipieren zu lassen in allen Dingen, die sie betreffen. Dazu gibt es noch viel Spielraum.

   Ein wichtiges Angebot für unsere Seniorinnen und Senioren bieten die Nachbarschaftshilfe und die beiden Gemeindeschwestern Plus an. Ihre beiden Stellen sind immer noch befristet und müssen so schnell wie möglich in unbefristete Arbeitsverhältnisse übergeleitet werden.

   Die Stadtteilbüros bzw. das Mehrgenerationenhaus sind weiterhin zu stärken, um in den Stadtteilen vor Ort auf kurzen Wegen Begegnungsräume erreichen zu können. Diese unterstützen den Zusammenhalt der Generationen. Hier gibt es zum Beispiel Kurse, sich digital fit zu machen. Auch darin sehen wir ein Angebot, noch bessere Teilhabemöglichkeiten zu gewinnen.

   Der Seniorenbeirat und der Jugendstadtrat sollen eng in die Maßnahmenplanungen der Verwaltung eingebunden sein, wo immer möglich.

   Die Nachbesserungen im neuen ÖPNV-Konzept sind zeitnah umzusetzen, ebenso wie der Umbau des ZOB zum barrierefreien Knotenpunkt. Beides sind wichtige Maßnahmen, um die Teilhabe am sozialen Leben, besonders auch für ältere Menschen, Familien und Personen mit eingeschränkter Mobilität leichter zu machen. Das beschlossene Integrationskonzept soll dem Stadtrat vorgestellt werden.

 

Wo soll die angedachte Großsporthalle gebaut werden?

   Als Fraktion "Unabhängig für Speyer" haben wir ganz bewusst einen Antrag eingebracht, der den Standort einer weiteren Großsporthalle offen gelassen hat. Unser Antrag war der weitergehende und wurde mit großer Mehrheit im Stadtrat angenommen. Aus Rücksicht auf die Nachbarschaft der Ost-Halle haben wir uns nicht auf den Standort am Tartanfeld fixiert. Die Anwohner der Fritz-Ober-Straße und des Ziegelofenweges haben bereits eine Bürgerinitiative gebildet, die auf eine Verkehrsentlastung in diesem Bereich drängt. Wir nehmen deren Anliegen ernst und können uns für die Großsporthalle besser geeignete Standorte in anderen Stadtteilen vorstellen. Auf jeden Fall soll es eine Halle werden, die von verschiedenen Vereinen mit ihrem unterschiedlichen Sportarten genutzt werden kann und die die Voraussetzungen für ein modernes digitales Sportstättenmanagement erfüllt.

 

Was ist bildungspolitisch zu tun?

   Bildung fängt bereits mit frühkindlicher Bildung an. Deshalb brauchen wir mehr verfügbares Personal in der Kita und ausreichend flexible Tagespflegepersonen, die die ergänzenden Betreuungszeiten für Eltern mit Schicht- und Wochenenddienst übernehmen können. Beide haben den Auftrag Bildung, Erziehung und Betreuung. Die Angebote der Frühen Hilfen richten sich an Familien mit Kinder bis 3 Jahre, die der Kita-Sozialarbeiterinnen an Familien mit Kindern im Kita-Alter.

   Inklusion wird immer mehr benötigt, weshalb wir auf barrierefreie Räumlichkeiten und geschultes Personal großen Wert legen sollten. Schulsozialarbeit und Supervision bei Bedarf sind kein Luxus.

   Bildungsgerechtigkeit ist uns ein großes Anliegen. Unsere Schulen sollten so organisiert sein, dass kein Kind verloren geht. Dazu gehören multiprofessionelle Teams mit ausreichend Schulsozialarbeit und motivierten Lehrkräften. Maßnahmen zu überlegen, wie diese zu gewinnen und zu halten sind ist der Inhalt, der von uns beantragten Strategie zur Fachkräftegewinnung und Fachkräftebindung.

   Ebenfalls wichtig ist eine förderliche Lernumgebung. Hier sehen wir noch großen Nachholbedarf in den Schulen, den Sportanlagen und einzelnen Kitas. Neben der energetischen Sanierung fehlt es oft an ausreichenden, schön ausgestatteten Räumen und neuen Toiletten.

 

Wie will Ihre Wählergruppe die Hitze in der Maximilianstraße reduzieren?

   Mehr Grün, mehr Wasser, mehr Schatten. Speyer war 2013 Modellkommune des Landes RLP zum Thema "Klimawandelfolgen". Wir wissen also was zu tun ist, um die Hitze zu reduzieren und das Mikroklima zu verbessern: Begrünung von Fassaden, von Dächern und mittels Laubengängen, mehr Wasserspender aufstellen, mehr Schatten anbieten. Leider fehlt es an der Umsetzung. Dies wiederum hängt auch mit dem Urheberschutz für die architektonische Leistung bei der Gestaltung der Maximilianstraße zusammen. Dazu ist die Stadt aktuell im Gespräch mit den Erben von Prof. Gottfried Böhm.

   Uns ist allen klar, dass die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zugleich von großer Bedeutung dafür ist, wie diese mit ihren abwechslungsreichen Kultur-, Einzelhandels-, Fest- und Gastronomieangeboten lebendig bleiben kann. Dasselbe gilt für die touristische Attraktivität. Prof. Schellnhuber hat sich bei seinem Besuch in Speyer ausführlich diesem Thema gewidmet.

 

Wie beurteilen Sie das kulturelle Angebot in Speyer?

   Kunst und Kultur werden in Speyer groß geschrieben. Die kulturelle Landschaft ist breit gefächert, was sich sehr gut in der Kultu(o)rnacht abbildet. Von kleinen Bühnen und Arrangements bis hin zu großen Formaten ist alles vertreten, das gilt es zu erhalten. Hier ist der Dialog gefragt mit allen Beteiligten auch aus der Bürgerschaft, die rund um die Veranstaltungsorte ihren Wohnsitz hat. Wir haben schon mehrere Runde Tische dazu durchgeführt, um gegenseitiges Verständnis zu bewahren oder zurück zu gewinnen. Wir wollen, dass alle Angebote für Kinder unter 18 Jahren kostenfrei sind, um allen Kindern möglichst viel Teilhabe anbieten zu können. Denn durch Kultur kann Demokratie und das gesellschaftliche Miteinander gestärkt werden.

   Wir haben ein neues Tourismuskonzept beantragt. Darin sehen wir eine stärkere Verbindung zwischen Kultur und Tourismus vor. Durch unsere beiden Welterbestätten bietet sich der interkulturelle und interreligiöse Austausch an, den wir stärker aufgreifen und einbinden wollen.

 

   Anmerkung: Ich habe allen Parteien und Wählergruppen in Speyer, die bei den Kommunalwahlen am 9. Juni kandidieren, die gleichen Fragen gestellt. - Bernhard Bumb/Herausgeber/Journalist Speyer-Report

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